Löscheinsätze sind immer Kämpfe gegen die Uhr und gegen Unwägbarkeiten

von Walter Nöhrig, Stellv. Kommandant

Über 400 Mal wurde die Freiwillige Feuerwehr Bad Reichenhall im Jahr 2000 zu Hilfe gerufen. Dabei wurden Menschenleben gerettet und Sachwerte vor der Vernichtung bewahrt. Was die Frauen und Männer um den Reichenhaller Kommandanten Andreas Gabriel können müssen, stellen wir in einer Serie vor: Spezialisten bei der Feuerwehr.

Stellen Sie sich vor, sie wachen nachts um drei Uhr auf und stellen fest, daß Ihr vor dem Haus in Bad Reichenhall geparktes Auto brennt. Sie wählen 112, rufen nach der Feuerwehr, laufen auf die Straße und versuchen, mit einem Eimer Wasser das Feuer zu löschen. Hoffnungslos, die Minuten werden scheinbar zu Stunden, Ihr Auto brennt inzwischen lichterloh, das Vordach Ihres Hauses hat bereits ebenfalls Feuer gefangen, die Polizei trifft ein, ist jedoch chanchsenlos, das Feuer zu löschen, 15 Minuten sind vergangen – keine Feuerwehr weit und breit – der Dachstuhl brennt, die Hitze läßt die Scheiben platzen, das Feuer "betritt" Ihr Haus......

An dieser Stelle Stop!

In der Realität wäre nach Absetzen Ihres Notrufs die Freiwillige Feuerwehr Bad Reichenhall alarmiert worden. Mit Auslösen des Alarms ist bayernweit garantiert, dass innerhalb von maximal 10 Minuten die Feuerwehr innerhalb der Stadtgrenze an der Schadensstelle präsent ist. Aber nur weil es Frauen und Männer gibt, die ehrenamtlich und freiwillig Tag und Nacht für Ihre Sicherheit bereit stehen.

Für den Feuerwehrmann Wolfgang könnte dieser Brand wie folgt ablaufen. Es ist nachts um drei. Wolfgang liegt im Tiefschlaf. Sein Herz pocht in der Ruhefrequenz. Eine Minute später ist alles anders. Sein Puls rast mit 140 bis 150 Schlägen. Alarm. Er zieht sich an und fährt auf schnellstem Weg zum Feuerwehrgerätehaus. Er zieht sich im Laufen die Schutzausrüstung an und rennt zum Löschfahrzeug. Während er im schweren Feuerwehrfahrzeug durchs nächtliche Reichenhall fährt, wirft er sich die Atemschutzausrüstung über. Noch ist nicht sicher was die ersten Einsatzkräfte vorfinden. Zu Lärm und körperlicher Belastung kommt die seelische Anspannung. Je schneller Wolfgang mit seinen Kameraden am Einsatzort ankommt um so schneller und wirkungsvoller kann der Brand bekämpft werden. Bereits nach weniger als 10 Minuten sind die Feuerwehrleute bei dem brennenden Auto und schon ein paar Minuten später ist das Feuer gelöscht.
Wieder Stopp!

Man muss können, was anderen nach kürzester Zeit an Herz und Nieren ginge: Aus dem Stand topfit für gefährliche Situationen sein. Egal, zu welcher Zeit.

Die größten Gefahren ergeben sich oft aus der Unübersichtlichkeit einer Einsatzstelle. Nicht immer ist im dichten Rauch klar, wo noch was hochgehen kann. Acetylengasflaschen, Lösungs- oder Verdünnungsmittel können die Ursachen sein.

Wasser taugt nicht immer

Die Löschmethoden und –mittel haben sich gewandelt. Brände werden immer gefährlicher. Das liegt an der zunehmenden Verwendung von Kunststoffen, an der Lagerung gefährlicher Stoffe, der reichhaltigen Ausstattung von Wohnungen mit brennbaren Stoffen und an großzügiger, offener Bauweise.  Löschmittel und Löschmethoden haben sich ebenfalls verändert. So ist Wasser heutzutage oft nicht mehr das Löschmittel der Wahl. Es bedarf anderer Mittel, um einen Brand zu bekämpfen – gerade bei gefährlichen Stoffen und Gütern ist dies notwendig geworden.  Die Anwendung des früheren „Allroundlöschmittels“ könnte hier womöglich verheerende Folgen haben. Das gilt schon beim Brand einer Friteuse.

Auch die Löschmethoden haben sich in den letzten Jahren geändert. Moderne Strahlrohre verteilen das Wasser wirksamer und verringern die Brandfolgeschäden. Hochleistungslüfter treiben giftigen Brandrauch und Hitze aus den betroffenen Gebäuden. Die Einsatzkräfte können schneller Menschen retten und den Brand bekämpfen. Auch hier werden die Brand- und Brandfolgeschäden durch geringeren Löschmitteleinsatz vermindert. Maßgebend verantwortlich für die einheitliche Ausbildung im Brandeinsatz der Reichenhaller Feuerwehrleute ist Heinrich Rauch.

Wichtig wie die Luft zum Leben

Menschen kann auf Dauer nur retten, wer sich selbst gegen die Gefahren der Einsatzstelle wirkungsvoll schützt.
Für die Frauen und Männer der Feuerwehr Bad Reichenhall wurden dazu neue Schutzanzüge beschafft, die in den nächsten Wochen ausgeliefert werden sollen.

Bei Brandeinsätzen gehört zum Schutz der Angrifftrupps auch zwingend das Atemschutzgerät. Besonders der Brandrauch bedroht mit vielen Giften die Gesundheit der Feuerwehrleute. Wo bei Bränden oder technischer Hilfe Sauerstoffmangel zu erwarten ist, muss ein Atemschutzgerät her. Auch Einsätze gegen chemische oder radioaktive Stoffe sind nur unter Atemschutz möglich.
Nur mit guter Kondition und entsprechend ausgebildet dürfen Feuerwehrfrauen und –männer unter Atemschutzgeräten arbeiten. Die „Atemschutztauglichkeit“ stellt ein Arzt fest.
In der Reichenhaller Feuerwehr sind rund 90 Mann für diese Einsätze zugelassen. Der Atemschutzausbilder Wolfgang Vogler hat dabei alle Hände voll zu tun um „seine“ Truppe aus- und weiterzubilden.
In der eigenen Atemschutzwerkstatt der Feuerwehr prüfen, warten, reparieren und desinfizieren die beiden Gerätewarte Wolfram Jahn und Robert Lindner die Geräte und Masken. Die Einsatzbereitschaft dieser Geräte ist für den Feuerwehreinsatz lebensnotwendig.
Ein Mensch atmet pro Minute 40 Liter Luft ein. Leistet er Schwerarbeit, braucht der Organismus 90 Liter pro Minute. Feuerwehrarbeit bei Brandeinsätzen ist Schwerstarbeit in lebensfeindlicher, verqualmter Umgebung. Das Atemschutzgerät ist Grundvoraussetzung für den Kampf gegen Flammen und Rauch.
Der Feuerwehrmann hat normale Atemluft in der Flasche, die unter hohem Druck hineingepresst worden ist. Das Atmen aus diesen Flaschen will gelernt sein. Selbst das Atmen ohne Belastung erfordert schon erheblich mehr Kraft als das Atmen in der gewohnten Umgebungsluft.

Nasse Arbeit in einer düsteren Welt

Hermann Votz als Taucherchef steigt oft in eiskalte und trübe Fluten.
Tauchen: Das klingt nach schwereloser Fortbewegung in glasklaren Meeren, nach dem Anblick farbenprächtiger Fische in makelloser Umwelt. Hermann Votz und seine Tauchertruppe erleben Tauchen bei ihrer Feuerwehrarbeit ganz, ganz anders. Statt der Aussicht auf ein großartiges Unterwasserpanorama gibt’s für die Orientierung Verbindungsleine, Signalmann und Feingefühl in den Fingerspitzen.  Neben Lösch- und Rüstfahrzeug oder Drehleiter ist der „Gerätewagen Taucher“ wichtigstes Aufgabengebiet der Tauchergruppe innerhalb der Reichenhaller Feuerwehr. Feuerwehrtaucher wird man freiwillig.

Genommen wird nur, wer eine Feuerwehrausbildung hat, wer die Befähigung zum Rettungsschwimmer hat und seine körperliche Eignung nachweist. Schwerpunkte der Ausbildung sind Einsätze zur Rettung von Menschen in Lebensgefahr und technische Arbeiten unter Wasser. Für Taucher ist die Beherrschung von Rettungsspreizer und Rettungsschere „unter Wasser“ auf dem jährlichen Übungsprogramm. Aber auch das Tauchen im eisigen Wasser unter Eis gehören zur Ausbildung. Unter diesen Bedingungen müssen Feuerwehrtaucher unter Wasser Handgriffe beherrschen, mit denen mancher Normalbürger schon in seiner Bastelwerkstatt Schwierigkeiten hätte. Der Taucher braucht „zehn gesunde Finger mit denen er unter Wasser sehen kann“.

„Wo andere weglaufen, da gehen wir hin“

Tag für Tag werden Menschen und Umwelt mit chemischen Substanzen konfrontiert, die heute in unübersehbarer Vielfalt und riesigen Mengen in die natürlichen Kreisläufe eingehen. Der Fortschritt bringt mit sich, dass heute immer mehr gefährliche Güter auf Straßen und Schienen befördert werden. In der Bundesrepublik werden etwa 60.000 Chemikalien produziert oder gehandelt. Viele sind explosiv, brennbar, giftig, ätzend oder strahlen.
Die zunehmenden Einsätze der Feuerwehren gegen gefährliche Güter stellen die Feuerwehren vor neue Aufgaben. Josef Kaltner und Josef Rochart sind in der Reichenhaller Feuerwehr maßgebend für die Aus- und Weiterbildung ihrer Kameraden am „Gerätewagen Gefahrgut“.
Viele Gefahren lassen sich vom Menschen nicht mit Hilfe seiner Sinnesorgane wahrnehmen. Der Mensch ist auf technische Hilfsmittel angewiesen, die es ihm ermöglichen, Gefahren zu erkennen, zu bestätigen und zu beurteilen. Die Meßtechnik steht als Oberbegriff für eine breite Palette von Geräten aus den unterschiedlichsten technischen Anwendungsgebieten. Eine Vielzahl von Feuerwehreinsätzen kommt ohne Meßtechnik überhaupt nicht mehr aus. Wie gefährlich ist das Löschwasser? Wo sitzen versteckte Brandnester? Besteht Explosionsgefahr? Sind Atemgifte entstanden? Wie gefährlich ist der entstehende Rauch? Diese und viele andere Fragen kann die Feuerwehr mit Meßgeräten beantworten. Dabei sind eine Menge an Geräten notwendig und eine Vielzahl von Ausbildungsstunden um diese Technik entsprechend zu beherrschen.
Diese Arbeit könnte auch als „abwehrender Umweltschutz“ bezeichnet werden. Das bedeutet, dass die Feuerwehr mit ihrer Ausrüstung bei Gefahrguteinsätzen mit Sofortmaßnahmen Leben und Gesundheit von Menschen retten, Umweltschäden verhindern oder begrenzen kann. Die Feuerwehrleute aus Bad Reichenhall versorgen mit dem Gerätewagen Gefahrgut neben dem Stadtgebiet auch den gesamten Landkreis.
Welcher Bürger wie du und ich würde vor hochgiftigen Substanzen nicht weglaufen.  Wenn die anderen weg sind, stehen die Feuerwehrleute in hermetisch von der Umwelt abgeschlossenen Schutzanzügen an der Gefahrenstelle.

Wir fahren nicht wie die Feuerwehr!

Feuerwehrfahrzeuge mit einem Gesamtgewicht bis über 14 Tonnen stehen beladen mit Geräten bereit um Schadensfälle zu bekämpfen. So wie die Fahrzeuge in den Gerätehäusern stehen, sind sie jedoch nichts wert, wären da nicht die Feuerwehrleute die diese Fahrzeuge beherrschen und bedienen. Für viele ist die Größe eines Löschfahrzeuges schon Grund genug um nicht in ein solches Fahrzeug einzusteigen. Geschweige denn es zu fahren.  In der Reichenhaller Feuerwehr ist Hans Ziegler verantwortlich, dass die Fahrzeugmaschinisten alle Großfahrzeuge der Reichenhaller Feuerwehr beherrschen. Geht doch die Einsatzfahrt mit Blaulicht und Martinshorn an die Grenzen der psychischen Belastbarkeit.  Das Fahrzeug voller Feuerwehrkameraden, der Druck möglichst schnell zum Einsatzort zu gelangen, die unkalkulierbaren Reaktionen der übrigen Verkehrsteilnehmer wenn sie das Einsatzfahrzeug hören oder sehen sind nur einige der enormen Belastungen des Fahrzeugmaschinisten. Eine umfangreiche und gute Ausbildung ist in diesen Fällen wichtig, um das Fahrzeug in diesen Streßsituationen zu beherrschen.

Wichtige Wegweiser für den Ernstfall

Einsatzpläne sind Warner, Helfer und Lebensretter für die Arbeit der Feuerwehr. Im Notfall zählen Sekunden. Der jeweilige Einsatzleiter der Feuerwehr muss die Gefahren abschätzen, die Brandbekämpfung abstimmen. Dazu brauchen die Kommandanten und Dienstgrade der Reichenhaller Feuerwehr Informationen, die zum einen das gefährdete Objekt, zum anderen die darin enthaltenen Gefahren oder sicherheitstechnischen Einrichtungen beschreiben. Gerade in größeren Gebäuden, durch die wenn`s brennt eine große Zahl von Menschen gefährdet werden wie z. B. in einem Krankenhaus ist ein Einsatzplan von größter Bedeutung. Wo liegen Gefahrenschwerpunkte, wie können betroffene Gebäudeteile schnellstmöglich geräumt werden, wo sind Zufahrtsmöglichkeiten für die Schwerfahrzeuge der Feuerwehr, sind Brandwände, feuerhemmende Abschnitte oder andere Einrichtungen vorhanden?
Mit Hilfe eines Einsatzplanes können fast alle für einen schnellen Einsatz erforderlichen Angaben und Erfordernisse in kürzester Zeit erfasst werden.  Die erforderlichen Angaben werden von der Feuerwehr in Zusammenarbeit mit dem Stadtbauamt und dem Krankenhaus erarbeitet. Nur so ist es möglich, die Einsatz- und Rettungszeiten zu optimieren.
Im Stadtgebiet sind dafür eine ganze Menge solcher Einsatzpläne erforderlich um alle sensiblen Gebäude und Objekte abzudecken. Für Kommandant Andreas Gabriel und seine Mannen eine Arbeit die nie enden wird, denn laufend müssen diese Pläne überarbeitet, erneuert und neue Tatsachen eingearbeitet werden.

Hilfe für Menschen in der Klemme

Vielseitigkeit ist die große Stärke bei der technischen Hilfeleistung.
Schwerer Verkehrsunfall mit eingeklemmter Person, umgestürtzter Lkw, Menschen im Fahrstuhl eingeklemmt oder einfach Katze im Baum. Das sind nur einige der Stichworte für einen techn. Hilfeleistungseinsatz. Der Verkehrsunfall mit eingeklemmten Personen wird schon fast Routine, wären damit nicht jedesmal menschl. Tragödien verbunden, die es zu verarbeiten gilt. Die psyhische Belastung der Einsatzkräfte ist dabei enorm. Nicht immer können belastende Einsätze ohne fremde Hilfe verarbeitet werden.
Bernhard Hauser ist der Ausbilder an Rettungsspreizer und –Schere, an Hebekissen und Seilwinde. Um sie einsetzen zu können muss man ständig üben und seine Geräte beherrschen. Der Umgang mit Schwerstverletzten darf dabei nicht aus der Fassung bringen. Gemeinsam mit dem Notarzt und den Helfern des Roten Kreuz werden Personen aus schwierigen Lagen befreit, werden Personen aus völlig demolierten Autowracks geborgen. Schweres Gerät mit gewaltigen Kräften ist notwendig um Personen aus solchen Fahrzeugen zu befreien. Für die Helfer selbst sind derartige Einsätze oft schwer zu verarbeiten und können zu enormen psychischen Belastungen führen. Seit kurzem arbeiten daher in Bad Reichenhall die Feuerwehr und die Kirchen eng zusammen, um den Helfern in Streßsituationen und bei belastenden Einsätzen helfen zu können.

Warum hat sich der Reichenhaller Kommandant Andreas Gabriel für die freiwillige Tätigkeit in der Feuerwehr entschieden?
„Bei uns wird Kameradschaft ganz groß geschrieben“. Viele Frauen und Männer aus völlig unterschiedlichen Berufen treffen hier zusammen um anderen zu helfen, wenn es notwendig ist. Und jeder dieser Feuerwehrleute kann seine Fähigkeiten und Kenntnisse einbringen um gemeinsam den Einsatz zu bewältigen.
Schattenseiten? Mulmig wird uns Feuerwehrleuten schon, wenn es sich bei einem Einsatz um Kinder dreht, oder wenn man nicht genau weiß, ob noch jemand im Haus oder in der Wohnung ist.
Wenn die Arbeit vorbei ist und alles geklappt hat, freut sich jeder Feuerwehrmann, dass er sich für dieses und kein anderes Hobby entschieden hat.