Großübung an der B 21, 18.10.2004
von Markus Leitner, BRK
Verkehrsunfall mit 14 Verletzten am Saalachsee:
Einsatzkräfte trainieren das Zusammenspiel
Am vergangenen Samstag gegen 13 Uhr fand in Bad Reichenhall eine Großübung der Einsatzkräfte des Rettungsdienstes, der Freiwilligen Feuerwehr, der BRK-Bereitschaft, der Wasserwacht, der Polizei und des Sanitätszentrums der Bundeswehr statt. Angenommen wurde ein schwerer Verkehrsunfall mit insgesamt drei beteiligten Fahrzeugen und 14 zum Teil schwer Verletzten an der B 21 entlang des Saalachsees. Perfekt von der Schminkgruppe des Jugendrotkreuzes präparierte Mimen und realistische Unfallfahrzeuge boten den ersteintreffenden Rettungskräften ein chaotisches und dramatisches Szenario, das kaum von einem Realeinsatz zu unterscheiden war und damit einen extrem hohen Übungswert aufwies.
Neben der Koordination der rund 90 beteiligten Helfer lag das Hauptaugenmerk auf der Bildung einer gemeinsamen Einsatzleitung von BRK, Feuerwehr und Polizei, um die Chaosphase schnell und effizient zu überwinden. Das genaue Szenario wurde geheim gehalten, um das Improvisationsvermögen der Teilnehmer in Angesicht eines simulierten, aber möglichst realen Großeinsatzes auszutesten.
Kurz nach 13 Uhr treffen das Notarzteinsatzfahrzeug sowie zwei Krankenwagen aus Bad Reichenhall am inszenierten Einsatzort beim Anglerparkplatz am Saalachsee ein, wobei die sechs Helfer zunächst versuchen, sich einen Überblick über das grauenvolle Szenario zu verschaffen. Drei stark demolierte Fahrzeuge scheinen mit hoher Geschwindigkeit kollidiert zu sein und liegen am Seeufer, wobei mehrere Verletzte aus den PKWs geschleudert wurden und sich zum Teil nach Hilfe schreiend im Wasser befinden.
Ähnlich wie in der Realität ging bei der Übungsleitstelle nur ein ungenaues Meldebild über den Unfall ein, so dass die alarmierten Kräfte für die vielen Patienten nicht ausreichen. Umgehend werden über Funk neben der Feuerwehr zur technischen Rettung die Wasserwacht und die Sanitätseinsatzleitung des Roten Kreuzes nachgefordert, wobei auch bei der Übung von realen Zeiten zwischen der Alarmierung und dem Eintreffen beim Patienten ausgegangen wird.
Ein KRKW-Unimog des Sanitätszentrums der Bundeswehr passiert zufällig den Unfallort und die Helfer beginnen sofort, den regulären Rettungsdienst tatkräftig zu unterstützen. Mehrere schwer verletzte Patienten sind in den Unfallfahrzeugen eingeklemmt und müssen primär von den Sanitätern stabilisiert werden, bevor eine Rettung mit Spreizer und Schere möglich ist. Von der Freiwilligen Feuerwehr Bad Reichenhall werden ein Rüstwagen, zwei Löschfahrzeuge und das Taucherfahrzeug zum Einsatzort geschickt. Die Wasserwacht rückt ebenfalls mit Tauchern und einem Schlauchboot an, um im trüben Wasser nach versunkenen Personen zu suchen und die mittlerweile abgetriebenen Unfallopfer zurück ans Ufer zu holen. Am Festplatz in Bad Reichenhall landet der imaginäre Rettungshubschrauber Christoph 14, dessen Arzt und Sanitäter von der Wasserwacht aufgenommen und mit zur Unfallstelle gebracht werden. Auch in Wirklichkeit kann der Hubschrauber nicht immer direkt bei den Patienten landen, da Bäume oder Häuser die Freiheit für den Hauptrotor einschränken.
Mit zwei Streifenwagen nimmt auch die Polizei aus Bad Reichenhall an der Übung teil, und die Beamten packen erst mal kräftig bei der Erstversorgung der Verletzten mit an, bevor mit der Untersuchung des Unfallhergangs begonnen wird. Als die Sanitätseinsatzleitung, bestehend aus Organisatorischem Leiter und Leitendem Notarzt bei den Helfern eintrifft, ist die Erstversorgung der schweren Verletzungen bereits im vollem Gang und ein grobes Bild über die Gesamtlage vorhanden. Trotzdem ist jede freie Hand kostbar, denn nach wie vor sind zu wenig Sanitäter und Notärzte am Einsatz, um den Verletzten eine den Umständen entsprechend optimale Versorgung zukommen zu lassen. Vom Organisatorischen Leiter werden die Sanitäts-Schnelleinsatzgruppen des BRKs aus Bad Reichenhall und Berchtesgaden alarmiert, die mit weiteren vier Fahrzeugen anrücken, während mit der Registrierung der Patienten begonnen wird. Dabei vergibt der Leitende Notarzt Nummern und teilt die Verletzten in vier Schweregrade ein, was später bei der Reihenfolge im Abtransport in die Zielkrankenhäuser von entscheidender Bedeutung ist. Da nach wie vor im Landkreis noch keine funktionstüchtige Unterstützungsgruppe für die Sanitätseinsatzleitung besteht, die den ausgelasteten Organisatorischen Leiter bei der Registrierung und beim Suchen von Zielkrankenhäusern unterstützen kann, ist es schwierig, eine gemeinsame Einsatzleitung von BRK, Feuerwehr und Polizei zu bilden, die den Einsatz effizienter bewältigen könnte.
Die Verletzungsmuster erstrecken sich über Schürf- und Schnittwunden, alle Arten von Knochenbrüchen, ein schweres Schädelhirn-Trauma und eine Wirbelsäulen-Fraktur, was ein volles Programm in der Versorgung erforderlich macht.
Der Wasserwacht Bad Reichenhall und Berchtesgaden gelingt es schnell, die beiden abgetriebenen Unfallopfer mit dem Boot zurück ans Ufer zu bringen und effizient zu versorgen, während Taucher der Feuerwehr den Seegrund nach Versunkenen absuchen und zwei Personen retten, von denen eine von den Sanitätern erfolgreich wieder belebt werden kann.
Tatkräftig packen die 16 Helfer der Sanitäts-Schnelleinsatzgruppen mit an und errichten einen Sichtungsplatz oder arbeiten bei der Rettung und Verletztenversorgung mit.
Auch die Helfer der Feuerwehr sind voll ausgelastet, denn von zwei Fahrzeugen muss das Dach entfernt werden, und mehrere Eingeklemmte machen einen Spreizeneinsatz erforderlich. Schonend und unter Mithilfe der vielen Feuerwehrleute können die Patienten aus den Autowracks gerettet und auf Tragen umgelagert werden. Sechs Personen sind schwer, zwei mittelschwer und zwei leicht verletzt. Drei weitere Beteiligte benötigen psychische Hilfe und für zwei Patienten kommt jede Hilfe zu spät.
Ungefähr eineinhalb Stunden nach der ersten Alarmierung ist der Einsatz bewältigt und alle Patienten sind versorgt. „Bei einer großen Anzahl von Verletzten ist es schwierig, ausreichend Bettenkapazitäten in den Krankenhäusern zu finden, so dass die Patienten neben Bad Reichenhall, Berchtesgaden und Freilassing auch nach Salzburg und Traunstein oder noch weiter weg gebracht werden müssen“, so Übungsleiter Florian Halter. Bemerkenswert war der Einsatz der drei Sanitäter der Bundeswehr, die effizient und kompetent bei der Versorgung mitarbeiteten und hoffen lassen, dass das Sanitätszentrum in Zukunft standardmäßig als wertvoller Partner bei größeren Schadenslagen mit eingebunden wird. Im Rahmen einer gemeinsamen Nachbesprechung wurde von allen Teilnehmern der Wunsch laut, mindestens ein Mal im Jahr eine gemeinsame Übung dieses Formats durchzuführen, um in Zukunft über die Grenzen der Organisation hinweg noch besser und routinierter aufeinander eingehen zu können.